Mitte August, sieben Uhr morgens: Andreas und Jutta Sehringer und zwei Saisonkräfte laufen durch die Himbeerfelder nahe dem kleinen Ort Feldberg im Markgräflerland. Mit Körben um die Hüften geschnallt, gehen sie auf und ab: „Alle zwei Tage muss geerntet werden“, erzählt Andreas Sehringer und dreht sich erneut zu seinen Sträuchern, hebt die Blätter hoch und pflückt ein paar Himbeeren.

„Einige Leute wissen gar nicht, mit wie viel Aufwand die Ernte verbunden ist“, erzählt er. Mehrere Stunden sind alle mit dem Pflücken beschäftigt. Um einen Schale mit 250g Himbeeren (wenn die Sträucher voll hängen) zu füllen, benötigt man ungefähr 6 Minuten. Der Großmarkt bietet einen Preis von 1,50€ pro Schale. Ist dies, umgerechnet 11,50€/Stunde, ein angemessener Lohn für die Mühe? Eher nicht! Die Pflege der Felder und der Lohn für die Saisonkräfte wurden in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund verkauft das Ehepaar die Himbeeren überwiegend direkt an der Haustüre und auf dem Markt. Hier wird die Arbeit noch wertgeschätzt! Die meisten anderen Obstsorten wie Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen und Äpfel gehen an den Großmarkt. Nur 10-20 % der Produkte werden direkt vermarktet. Für mehr fehlt die Zeit. Der Wochenmarkt bereitet Jutta Sehringer am meisten Freude. Seit 20 Jahren steht die Obstbäuerin jeden Samstag in der Fußgängerzone in Müllheim und verkauft ihre Produkte. Neben dem Obst gibt es auch frisch gebackenes Holzofenbrot, Blumensträuße, Liköre und Fruchtaufstriche zu kaufen. „Alles stammt aus eigenem Anbau.“ Das Beste für sie: Für einen gemütlichen Plausch mit den anderen Verkäufern und der Kundschaft ist ebenfalls genügend Zeit.
Weg will sie auf gar keinen Fall – hier ist ihre Heimat

Die Menschen und die Landschaft der Region hat sie schon lange ins Herz geschlossen. „Die Gegend hat mich sozusagen adoptiert“, erzählt die im Nordschwarzwald geborene Jutta Sehringer und lacht. Seit über 30 Jahren ist sie wohnhaft im Markgräflerland. Weg will sie auf gar keinen Fall – hier ist ihre Heimat. Als Quereinsteiger haben sie und ihr Mann mit dem Obstbau begonnen. Heute bewirtschaften sie ungefähr 16 Hektar Obstflächen.
Nach der Erntezeit, in welcher das Ehepaar teilweise um fünf Uhr morgens auf den Feldern steht, folgt das Schneiden der Bäume und Sträucher. Im Winter werden Neupflanzungen und Rodungen vorgenommen, sowie der Schnaps gebrannt. Im Frühling beginnt man mit dem Auftragen von selektiv wirkenden Pflanzenschutzmitteln. Klingt wie ein Vollzeitjob – nicht für Andreas Sehringer. Er arbeitet nebenher, vorwiegend in den Wintermonaten, in Teilzeit für die Post. Dieses Arrangement ist nicht immer einfach, sichert aber das monatliche Einkommen der Familie.
Es gibt keine Gewähr für eine ertragreiche Ernte; kein garantiertes Einkommen

Es gibt keine Gewähr für eine ertragreiche Ernte; kein garantiertes Einkommen. Jedes Jahr warten neue Hindernisse die es zu bewältigen gilt: Wühlmäuse, welche die Wurzeln anfressen, Hagelschäden oder andere Schädlinge. Dieses Jahr bereitet erstmals die Kirschessigfliege Schwierigkeiten. Erst seit kurzem tritt sie in Europa auf und verursacht verheerende Ertragsausfälle. Sie befällt, im Gegensatz zu anderen Schädlingen, gesunde Früchte. Indem sie ihre Eier dort ablegt und die Larve das Fruchtfleisch zu fressen beginnt, entstehen weiche Flecken an der Oberfläche und es kommt schnell zum Zerfall der Frucht. Neben Schädlingen wie der Kirschessigfliege, bereitet das Wild aus den umliegenden Wäldern Probleme. „Immer wieder haben Wildschweine in der Vergangenheit die unteren Äste abgeknickt oder die jungen Kirschbäume ganz umgelegt“, berichtet Jutta Sehringer. Da hilft nur eins: Eine Imitation aus hochkonzentriertem Menschenschweiß. Lumpen, getränkt in diesem übel riechenden Wildvergrämungsmittel, werden in leere Joghurtbecher gesteckt und an die Zäune gehängt. Seit dieses Vorgehen eingeführt wurde, gibt es jedoch kaum noch Schäden. Nur die Rehe lassen sich von diesem bestialischen Gestank nicht abschrecken. Sie kommen weiterhin und machen sich über junge Knospen, Austriebe und die Rinde der Obstbäume her. Zum Glück nicht allzu oft – es gibt ja noch Zäune.
Möglichkeiten der Ertragssicherung sind: Zäune als Schutz vor Rehen, Menschenschweiß als Wildschwein-Schreck, Fallen gegen Wühlmäuse und Dächer über den Kirschbäumen als Regenschutz. Dächer? Regenschutz? Klingt seltsam, ist aber wahr. Kirschbäume bevorzugen ein trockenes Klima und sollten die Bäume zu viel Wasser aufnehmen, können die Früchte platzen und sind nicht mehr marktfähig. Die Dorfbewohner waren skeptisch als sie vor sechs Jahren montiert wurden: „Aber das Leben ist Wandel“, sagt Jutta Sehringer ausgelassen. Eines Tages wird ein anderer Wandel auf das Ehepaar zukommen. Einer ihrer Söhne hat eine Lehre zum Obstbauer absolviert und wird den Anbau eines Tages weiter führen.
Weitere Informationen
Direktverkauf:
Andreas und Jutta Sehringer
Rathausgasse 2
79379 Müllheim Feldberg
Wochenmarkt in Müllheim:
Jeden Samstag von 8.00 – 12.30 Uhr in der Fußgängerzone